Weil jede Polle zählt...

Pollenmonitor

Ambrosia, Birke, Erle, Hasel: Rund 30 Prozent der Bevölkerung leiden mehr oder weniger stark unter Pollen dieser und weiterer Pflanzen, Bäume und Sträucher. Die Symptome reichen von relativ milder Rhinitis (Heuschnupfen) bis zu anaphylaktischen Schocks, die lebensbedrohlich sein können. Umso wichtiger ist es, als Betroffene tagesaktuell zu wissen, wie der Pollenflug vor Ort aussieht. FAULHABER Antriebe sorgen im vollautomatischen Pollenmonitor der Helmut Hund GmbH an verschiedenen Stellen dafür, dass die Pollenzählung zuverlässig und vor allem zeitnah Daten für die Pollenflugvorhersage liefert.

Studien gehen davon aus, dass zukünftig sogar jeder zweite Bundesbürger unter Pollen leiden könnte. Zudem sorgen die globale Erwärmung und der Klimawandel dafür, dass die Blühperiode und damit die Zeiträume mit hoher Pollenbelastung sich verändern. „Wir haben in milden Wintern bereits Ende November Haselpollen durch unser Monitoring nachweisen können, normalerweise erwartet man dies erst für den Januar“, berichtet Dr. Jörg Haus, Produktmanagement Instrumente, Helmut Hund GmbH. Insbesondere Ambrosia, mit der Blüte von Juli bis Oktober, ist für Allergiker ein großes Problem. Ihr Allergiepotential ist fünfmal so hoch wie das von Gräsern. „Bereits 11 Pollen in einem Kubikmeter Luft entsprechen einer starken Belastung.“ Diese äußern sich in Rhinitis, Lichtempfindlichkeit, Kopfschmerzen, Atemnot oder schwerem Asthma. Darüber hinaus können auch importierte Pflanzen sich zu einem unerwarteten Problem entwickeln, erläutert Dr. Haus: „Die Olivenbäumchen, die viele sich gerne auf den Balkon oder die Terrasse stellen, sind sehr allergen und stehen in südlichen Ländern ganz oben auf der Liste“.

Auswertung mit Zeitverzug

Umso wichtiger ist es, zu wissen, wann welche Pollen in welcher Konzentration in der Luft sind. Standard in vielen europäischen Ländern ist die sogenannte Burkhard-Falle. Ein definiertes Luftvolumen wird beständig von einem Gebläse angesaugt – jeweils aus der aktuellen Windrichtung – und an einer sich langsam drehenden Trommel vorbei geführt. Auf ihr ist ein Klebestreifen angebracht, auf dem die Pollen und andere angesaugte Teilchen haften bleiben. Das innerhalb eines Tages angesaugte Luftvolumen von 14,4 m³ entspricht dem, was ein Erwachsener maximal im Ruhezustand einatmen würde. Spätestens nach sieben Tagen muss der Klebestreifen ausgetauscht und analysiert werden. Geschulte Pollenzählerinnen und Pollenzähler sitzen am Mikroskop, ein Bestimmungsbuch neben sich, das Ergebnis steht normalerweise nach zwei oder drei Tagen fest, manchmal aber auch erst Wochen später. Da Pollen sich auch je nach Jahreszeit und klimatischen Bedingungen verändern, kann es bei der Auswertung durch Menschen leider zu Fehlbestimmungsquoten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich kommen. Dennoch hat diese Methodik immer noch den Status eines Goldstandards in der Pollenzählung.
Für den untersuchten Tag lassen sich jedoch relativ genaue Angaben in Bezug auf Pollenbelastung und Uhrzeit machen. Aus diesen Daten werden dann Modelle errechnet für eine Region in einem bestimmten Monat oder einer Jahreszeit. „Die Daten sind, das ist systembedingt, leider mindestens zwei Tage alt, wenn sie vorliegen. Als Allergiker bringt mir das aber nur wenig. Wenn ich heute eine Aktivität im Freien plane, weil die Sonne scheint oder wissen will, ob ich etwa mein Asthmaspray brauche, helfen mir Daten vor zwei Tagen, wo es eventuell noch geregnet hat, leider nicht weiter“, fasst Dr. Haus die Problematik des bisher meist genutzten Verfahrens zusammen, „daher haben wir uns Gedanken gemacht, wie man das intelligenter machen kann“.

Herzstück des Pollenmonitors ist das Auswerte- und Analysemodul

Pollenmonitoring in Echtzeit

2003 entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg und dem dortigen Fraunhofer-Institut ein Prototyp einer automatisierten Pollenanalyse. Für solch eine Lösung, das war früh klar, benötigt man elektrische Antriebe, etwa für den Transport der Probenträger, dem Fokussieren der Kamera oder beim Scannen. „Da das Design des Prototypen nicht optimal und dazu auch nicht industrialisierbar war, haben wir als Helmut Hund GmbH dann beschlossen, die Umsetzung in ein Produkt eigenständig und mit neuem Partner durchzuführen.“
Mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin fand die Firma aus Wetzlar einen neuen Partner. Gemeinsam entwickelte man die heutige Lösung, den Pollenmonitor BAA500. „BAA steht für Bio-Aerosol-Analysator und vereint unsere Stärken Feinwerktechnik, Optik und Elektronik“, erklärt Dr. Haus. Mit dem klimatisierten und wettergeschützten Gerät sind zwischen vier und acht Proben täglich möglich, eine Beprobung dauert circa drei Stunden und das im autarken Betrieb für bis zu sechs Monate. „Mit dem BAA500 ist es möglich, quasi in Echtzeit eine Voraussage zu treffen, welche Pollen in welcher Konzentration in der Luft sind.“
Für eine Analyse saugt das Gerät circa 60 m³ Luft in der Stunde an und extrahiert die Pollen auf Probenträger. Da Pollen durch Witterungseinflüsse sich verändern und auch trocknen, sehen diese eher schrumpelig aus. Eine Gelschicht auf den Probenträgern sorgt dafür, dass sie sich wieder aufplustern und rund werden. „Bereits bei diesem Schritt kommt es auf Genauigkeit an, eine automatisierte Analyse muss kleine Unterschiede in Größe oder Innenstruktur auffangen können“, betont Dr. Haus. Pusher, angetrieben vonFAULHABER DC-Kleinstmotorender Serie1727… C, schieben die Proben dann unter ein Mikroskop zwischen Kondensor und Objektiv. Eine Heizpatrone erwärmt das Gel leicht. Jede Probe wird dann in drei Achsen abgescannt. „Da Pollen mit 20 μm sehr klein sind, etwa ein Viertel eines menschlichen Haars, sieht das Lichtmikroskop pro Foto nur einen Bereich von weniger als 0,5 auf 0,5 mm. Die Schärfentiefe ist dabei nicht so hoch, da wir eine hohe Auflösung benötigen“, stellt der Produktmanager Mikroskopie fest.

Intelligente Bilderkennung

Hund setzt bei der Erkennung der Pollen auf das sogenannte Stacking, also das Stapeln der Bilder mit Hilfe einer Software, eine Technik, die zum Beispiel auch Hobby-Astronomen verwenden. Mit Hilfe dieser Technik wird aus mehreren Bildern des Bildstapels (mit jeweils geringer Schärfentiefe) ein Gesamtbild mit erweiterter Schärfentiefe berechnet. Danach werden die einzelnen Pollen von der Software über einen merkmalsbasierten Algorithmus erkannt. Aktuell kann das System 38 Pollenarten und weitere Allergene wie etwa Pilzsporen erkennen. „Die Bilderkennung müssen Sie am Anfang anlernen, in Abhängigkeit von lokalen Unterschieden und Witterungsverhältnissen. Dazu haben wir einige zigtausend Bilder im Kofferraum. Wir wollen rausgehen, messen und automatisch erkennen, da braucht man möglichst viele Beispiele und Arten.“
Nach der Analyse der Probe wird diese in ein Magazin transportiert. Das ermöglicht eine nachträgliche Auswertung und Validierung der Ergebnisse, etwa durch Wissenschaftler, theoretisch auch noch Monate später. Durch die Auswertung über das Lichtmikroskop und den Erhalt der Proben verfügt der BAA500 gegenüber anderen vergleichbaren Systemen ein Alleinstellungsmerkmal. Beim Archivieren sorgt ebenfalls einFAULHABER DC-Kleinstmotorder Serie1727…Cfür die notwendige Bewegung und Präzision. „Ambrosia“, weiß der Dr. Haus, „sieht ein bisschen aus wie ein stacheliger Ball, Kiefer sieht aus wie Mickey Mouse, das ist in der Unterscheidung nicht trivial, aber richtig schwierig wird es, wenn man benachbarte Frühblüher trennscharf unterscheiden will.“ Ein Problem sind auch sogenannte Varia, das heißt Pollen, die noch nicht erkannt werden. Diese werden mit der Datenbank abgeglichen, vorläufig zugeordnet und ein Bediener prüft und ordnet den Pollen zu. „Auf diese Weise können wir neue Arten aufnehmen, aber auch Korrekturen vornehmen, wenn eine Art anders aussieht wie zum Beispiel im kalten Frühjahr diesen Jahres.“ Durch das zeitnahe Monitoring entstehen auch sehr interessante Erkenntnisse. „Bisher nahmen Aerobiologen beispielsweise an, dass bei kalter Witterung keine Pollen in der Luft sind. Wir konnten aber durch Messungen im kalten Januar Pollen nachweisen.“

Mächtig im Netzwerk

Der Freistaat Bayern war von dem System so überzeugt, dass man bereits 2019 mit dem Aufbau eines elektronischen Polleninformationsnetzwerks (ePIN) begonnen hat. Die Auswahl der Standorte basierte auf einer Studie des Zentrums für Allergie und Umwelt (ZAUM) der TU München und des Helmholtz Zentrums München. Dabei wurden verschiedene Klimaparameter und die Bevölkerungsdichte berücksichtigt, um eine möglichst optimale Verteilung der acht Messstationen zu erreichen. Neben München stehen nun Geräte der Firma Hund in Garmisch- Partenkirchen, Feucht, Viechtach, Marktheidenfeld, Altötting, Mindelheim und Hof. „In dieses weltweit erste elektronische Polleninformationsnetzwerk investiert das bayerische Gesundheitsministerium zwei Millionen Euro. Das ist sehr gut angelegtes Geld: Denn jeder zweite der insgesamt zwei Millionen Allergiker in Bayern reagiert auf Pollen“, so Bayerns frühere Gesundheitsministerin Melanie Huml anlässlich des Starts 2019.
„So ein Gerät ist erst im Netzwerk richtig mächtig“, stellt Dr. Haus fest, „man kann dann sehr präzise Vorhersagen machen, wenn man die Daten der verschiedenen Pollenanalysestationen und die Wetterdaten miteinander verbindet.“ Insgesamt 20 Geräte stehen neben den bayerischen ePIN-Standorten in Berlin, Wetzlar, Leipzig oder auch Wiesbaden. Die Wahl des richtigen Standorts ist sehr wichtig, da beispielsweise Dieselruß oder Reifenabrieb die Ergebnisse verändern können. „Mitten in einem Rapsfeld wäre kontraproduktiv, da haben Sie dann nur Rapspollen. Daher stehen unsere Messstationen in etwa 12 Meter Höhe auf Dächern von Kliniken oder Instituten.“
Der Abruf der Daten ist rund um die Uhr online oder per App in Echtzeit möglich. Auch Arztpraxen oder Allergologen nutzen den Service gerne, um ihre Patienten optimal zu behandeln. „Unser Gerät in Wetzlar ist so etwas wie unser Testgerät, das steht dann auch mal still, wenn wir eine neue Funktion ausprobieren. Bei so einem Test hatten wir dann plötzlich eine Menge Anrufer, die nach den Daten fragten. Das zeigt, dass für viele Menschen unsere Auswertungen sehr wichtig sind. Auch deshalb setzten wir aufFAULHABER Antriebeauf Grund ihrer Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Langlebigkeit.“

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