Die Digitalisierung Benannter Stellen wird das Medizinprodukte-Ökosystem in den nächsten Jahren spürbar umkrempeln. Dieser Artikel beschreibt
- die Auswirkungen dieser Digitalisierung auf die Benannten Stellen (Prozesse, Mitarbeitende, Geschäftsmodelle)
- die positiven und negativen Konsequenzen für Medizinproduktehersteller und weitere Akteure sowie
- die möglichen Schritte bei der Digitalisierung Benannter Stellen (Transformationsprozess).
Falls Sie wenig Zeit haben, dann lesen Sie nur die für Sie relevanten Kapitel:
- Führungskräfte bei Benannten Stellen: Kapitel 1., 2.a), 2.c) und 4.
- Andere Mitarbeitende bei Benannten Stellen: Kapitel 2.a) und 2.b)
- Medizinproduktehersteller: Kapitel 3.a) und 3.b)
Die Phase neigt sich dem Ende zu, in der sich die Benannten Stelle als Oligopol die Kunden aussuchen und die Preise und Bedingungen bestimmen durften. Denn die Rahmenbedingungen haben sich innerhalb weniger Jahre nennenswert geändert.
Abb. 1: Die Treiber der Digitalisierung Benannter Stellen Treiber 1: Wettbewerbsdruck und steigende Marktmacht der KundenMehrere große Venture Capital-Firmen haben erkannt, dass in Europa ein nicht mehr funktionaler Multi-Milliardenmarkt entstanden ist. Wenn sich solche Dysfunktionalitäten skalierbar, d.h. mit Software beseitigen lassen, werden diese beseitigt.
Erste Investitionen sind bereits getätigt. Dabei haben die Investoren verstanden, dass es vorteilhaft ist, künftige Benannte Stellen nicht im DACH-Raum zu gründen, sondern in Ländern, die sich auf die notwendigen Vorgaben fokussieren, statt unnötige regulatorische, administrative und technologische Hürden zu errichten.
Die Unique Selling Propositions künftiger Wettbewerber liegen auf der Hand:
- Ein Bruchteil der Bearbeitungs- und Reaktionszeiten – Dank Digitalisierung
- Convenience, Wertschätzender Umgang mit persönlichen „Stewards“
- Niedrigere Kosten
Sobald die Hersteller mit einer neuen Benannte Stelle diese Vorteile nutzen können, insbesondere eine kürzere Time-to-market, werden sie das tun. Das wird zu einem Dammbruch führen.
Treiber 2: Regulatorische RahmenbedingungenDie regulatorischen Rahmenbedingungen, die den Benannten Stellen erfolgreiche Jahre mit starkem Wachstum beschert haben, drehen sich zunehmend gegen sie:
- Der MDR-Boom geht trotz verlängerter Übergangsfristen zu Ende.
- Der Unmut in der Politik über die Benannten Stellen ist gewachsen. Erste Stimmen stellen das Konzept privatwirtschaftlich organisierter Benannter Stellen in Frage. Bei einigen Produkten zieht bereits die EMA die Kompetenzen an sich.
- In Ländern wie der Schweiz erhalten Produkte mit einer FDA -Clearance Marktzulassung. Wenn dieses Beispiel in den europäischen Ländern Schule machen sollte, würde der Bedarf an Benannten Stellen schlagartig sinken.
- Immer mehr Hersteller beschließen, auf dem amerikanischen Markt mit planbareren Zulassungsverfahren zu beginnen und dann erst zu entscheiden, ob und wann sie ihre Produkte auch in Europa vermarkten.
...