Medizinprodukte über das Ende der Lebensdauer hinaus zu betreiben kann gefährlich und rechtlich problematisch sein. Daher sollten Hersteller die genaue Lebensdauer bei jedem Produkt präzise bestimmen. Doch könnten Sie auf die Schnelle sagen, wie Lebensdauer definiert oder nach welchen Kriterien sie bestimmt wird?

Wenn Sie nicht sofort eine Antwort parat haben, sind Sie nicht alleine: Vieles in Bezug auf die Lebensdauer von Medizinprodukten ist gerade auf europäischer Ebene unklar.

Verwandte Begriffe wie “Haltbarkeit” oder “Betriebszeit” stiften oft zusätzliche Verwirrung – genauso wie die Tatsache, dass Lebensdauer gar nicht zwangsläufig nur eine “Dauer” sein muss, sondern auch andere Faktoren eine Rolle spielen können.

Vermeiden Sie Ärger mit Behörden und Kosten oder sogar Schäden von Patienten und erfahren Sie in diesem Beitrag:

  • warum es wichtig ist, die Lebensdauer zu bestimmen
  • wie Sie die Lebensdauer definieren und festlegen können
  • wie Lebensdauer von anderen Begriffen wie Service-Zeit oder Betriebsdauer abzugrenzen ist und
  • welche (regulatorischen) Anforderungen Sie als Hersteller und Betreiber erfüllen müssen.
1. Warum die Lebensdauer und ihre Festlegung wichtig sind

Die Lebensdauer von Medizinprodukten ist der Zeitraum, in dem ein Produkt sicher und leistungsfähig ist. Naturgemäß ändern sich Produkteigenschaften mit der Zeit, etwa durch Alterung oder Abnutzung. Sind Sicherheit und Leistungsfähigkeit dadurch nicht mehr gegeben, können große Probleme entstehen, etwa:

  • Eine Dialysemaschine wird über die Zeit in der Flüssigkeitsbilanzierung ungenau, weil Dichtungsmaterialien altern und Flüssigkeitsverluste auftreten.
  • Kunststoffe werden spröde und verlieren ihre Bruchstabilität.
  • Elektronische Bauteile können nach vielen Schaltvorgängen ausfallen.

Die Lebensdauer von Medizinprodukten ist sowohl für Hersteller als auch für Betreiber relevant.

a) Relevanz für Hersteller

Hersteller müssen die Lebensdauer als Teil der formulierten Zweckbestimmung kennen.

  • Sie benötigen die Lebensdauer für das Risikomanagement (Anhang I MDR; ISO 14971). Sie müssen dort analysieren, ob das Produkt über die gesamte Lebensdauer sicher und leistungsfähig ist.
  • Die Lebensdauer korreliert mit der Gesamtzahl an Anwendungen. Beide bestimmen die Risikoakzeptanzmatrix. Die Klasse der unwahrscheinlichsten Schäden (meist die unterste Zeile) sollte Wahrscheinlichkeiten entsprechen, die während aller Anwendungen über die komplette Lebensdauer nicht zu erwarten sind.
  • Die vorgesehene Lebensdauer entscheidet bereits bei der Entwicklung über die Auswahl von Komponenten, Materialien und Technologien
  • Die Lebensdauer und nötige Service-Intervalle sind eng miteinander verknüpft. Diese Service-Intervalle dokumentiert der Hersteller in den Begleitmaterialien.
b) Relevanz für Betreiber

Läuft die angegebene Lebensdauer des Produktes ab, müssen auch Betreiber reagieren (z. B. durch Außerbetriebnahme). Damit tun sich die Betreiber häufig schwer, denn die Produkte funktionieren augenscheinlich tadellos. Sie können nicht erkennen, dass die Sicherheit oder Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Das dürfte auch der Grund sein, warum viele Betreiber mit der Außerbetriebnahme hadern.

Noch schwieriger ist der Fall, wenn der Hersteller die Lebensdauer nicht in den Begleitpapieren angegeben hat. Woher soll der Betreiber in diesem Fall wissen, ab wann die Sicherheit und Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben sind?

Selbst wenn Betreiber der Meinung sind, ihr Produkt funktioniere noch tadellos: Entscheidend ist die vom Hersteller angegebenen Lebensdauer.

c) Relevanz für Kunden

Auch für Kunden ist die Lebensdauer eines Produktes ein wichtiges Kriterium. Sie ist nämlich in vielen Fällen ein Erwägungsgrund bei der Kaufentscheidung: Hat ein Einkäufer eines Krankenhauses die Wahl zwischen zwei sonst vergleichbaren Produkten, wird er sich für das Produkt mit der längeren Lebensdauer entscheiden.

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