Aufatmen in der Branche

(01/2020) Nachdem der Rat der Europäischen Union es vorgelegt hatte, hat am 3.12.2019 der zuständige Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments ein sog. Korrigendum zur europäischen Medical Device Regulation MDR beschlossen (Kurzlink: https://bit.ly/2KXHfeZ, deutsche Version ab Seite 25).

Demnach kann die Übergangsfrist für bestimmte Klasse-I-Produkte um vier Jahre bis 26. Mai 2024 verlängert werden. Tangiert sind Produkte der Klasse I, die aufgrund einer Höherklassifizierung erstmals Sicherheitschecks durchlaufen müssen – also Produkte der Klassen Ir (wiederverwendbare chirurgische Instrumente) Is (steril) und Im (messtechnisch). Nun müssen noch die EU-Kommission eine Änderungsverordnung zur MDR vorlegen und anschließend EU-Parlament und -Rat darüber abstimmen.

Medizinprodukte der künftigen Klasse Ir, für die vor dem 26. Mai 2020 eine Konformitätserklärung gemäß der bisherigen MDD erstellt worden ist, dürfen nun auch bis Mai 2024 in Verkehr gebracht werden. Damit wird zum einen dem aktu­ellen Mangel an Benannten Stellen Rechnung getragen, zum anderen die Ungleich­behandlung gegenüber höheren Risikoklassen beseitigt. Ganz offiziell wird das Korrigendum, nachdem es im gesamten EU-Parlament verlesen und verkündet worden ist.

Konkrete Klärung
Konkret geht es um die Berichtigung der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates. Artikel 120 Absatz 3 soll künftig laut Korrigendum wie folgt lauten (Änderungen sind hervorgehoben): „Abweichend von Artikel 5 der vorliegenden Verordnung darf ein Produkt, das ein Produkt der Klasse I gemäß der Richtlinie 93/42/EWG ist, für das vor dem 26. Mai 2020 eine EU-Konformitätserklärung erstellt wurde und für das das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der vorliegenden Verordnung die Mitwirkung einer Benannten Stelle erfordert oder für das eine Bescheinigung gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG besteht, die gemäß Absatz 2 des vorliegenden Arti­kels gültig ist, bis zum 26. Mai 2024 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, sofern es ab dem 26. Mai 2020 weiterhin einer dieser Richtlinien entspricht und […]“ Außerdem soll in Artikel 120 Absatz 4 geändert werden: „Produkte, die vor dem 26. Mai 2020 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG rechtmä­ßig in Verkehr gebracht wurden, und Produkte, die ab dem 26. Mai 2020 gemäß Absatz 3 des vorliegenden Artikels in Verkehr gebracht wurden, können bis zum 26. Mai 2025 weiter auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.“

Andere MDR-Vorgaben müssen erfüllt werden
Das Tuttlinger Netzwerk MedicalMountains weist jedoch darauf hin, dass alle weiteren Vorgaben der EU-MDR erfüllt werden müssen. Dazu zählen die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz und die Registrierung von Wirtschaftsakteuren. Die Übergangsregelung sei zudem nur eine Art Duldung, die mit dem Ablauf des jeweiligen Zertifikats, also gegebenenfalls weit vor Mai 2024 endet. Und für die Bearbeitungszeit von Akten seitens der Benannten Stellen seien mindestens 9 bis 12 Monate einzuplanen. Deshalb sollten Hersteller ihre Unterlagen so früh wie möglich einreichen; 2023 wäre bereits zu spät.

Gut für Firmen und Kliniken
Laut MedicalMountains verschafft das Korrigendum vor allem kleinen und mittleren Medizintechnik-Unternehmen mehr Planungssicherheit in Sachen Klasse Ir. Wichtige Bestandsprodukte wie chirurgische Instrumente dürfen weiter unter den bisherigen regulatorischen Vorgaben verkauft werden. Die Nachricht entlaste nicht nur Unternehmen, die sich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit oder gar Existenz bedroht sahen, auch Kliniken atmen auf. Denn schon länger hat sich abgezeichnet, dass drohende Engpässe an Produkten eine Gefahr für die gesicherte Versorgung von Patienten dargestellt hätten, so Julia Steckeler, Geschäftsführerin von MedicalMountains.

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