MDR: Brüssel spielt noch auf Zeit

(09/2022) Die vielfältigen Probleme bei der praktischen Umsetzung der MDR sind hinlänglich bekannt. Argumente, Ideen und Lösungsvorschläge wurden – speziell von deutscher Seite – massiv geliefert. Liefern sollte nun die EU-Kommission. Nach der entscheidenden Sitzung am 14. Juni in Brüssel gab es aber vor allem eines – lange Gesichter und Unbehagen. Probleme erkannt, Lösungen verbannt – so lässt sich plakativ der Auftritt von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides umreißen. Wertvolle Zeit droht nun verloren zu gehen.

Mit Spannung war sie erwartet worden: die Sitzung des EPSCO-Rates (Employment, Social Policy, Health and Consumer Affairs Council) am 14. Juni in Brüssel, in der es u. a. auch um eine Bestandsaufnahme zur MDR (Medical Devie Regulation) ging.

Brüssel übt sich in Gelassenheit

Die zuständige EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides wurde allerdings – was die deutschen Medizintechnik-Verbände sicher kritisch verbuchen werden – in einem Punkt deutlich: Aus Sicht der EU-Kommission wird eine „Verlängerung der Übergangsfristen das Problem nicht lösen, sondern nur verschieben“.

Gleichwohl räumte sie ein, dass der EU-Kommission einige Dinge Sorge bereiten, u. a. der Umstand, dass erst 1.000 Zertifikate nach MDR ausgestellt seien und mehr als 24.000 bisher nach MDD ausgestellte Zertifikate im Mai 2024 auslaufen: „Hier muss man gut und entschieden handeln. Es dürfen keine Engpässe entstehen.“ In diesem Zusammenhang brachte sie diverse „Lösungen und Handlungsmöglichkeiten“ ins Spiel. Es sei nötig, neue Kapazitäten bei den Benannten Stellen zu schaffen und sie zu entlasten; die Möglichkeit von Hybrid-Audits stehe im Raum; man könnte den Benannten Stellen erlauben, sich auf die Zertifizierung gem. der neuen Verordnung zu konzentrieren. Auf jeden Fall „bleibe man am Ball“, so Kyriakides. Für Dezember 2022 kündigte sie einen neuen Sachstandsbericht an.

Deutschland zeigt sich diplomatisch

Von deutscher Seite verwies Staatssekretär Dr. Thomas Steffen auf die Sorge vieler wissenschaftlicher Fachgesellschaften und der Wirtschaft in Deutschland, ob mit Blick auf das Ende der Übergangsfrist im Mai 2024 die Neuzertifizierung innovativer Produkte sowie die Rezertifizierung von Bestandsprodukten machbar sei. Man müsse diese Sorgen ernstnehmen.

Deutschland unterstütze die Maßnahmen der EU-Kommission zur Entbürokratisierung und Vereinfachung von Bestimmungen und Regelungen. Er verwies hier auf die 300 Leitlinien und Art. 97 „Non-Compliance“. Man wolle den Prozess weiter aktiv begleiten. Dr. Steffen schlug ein Treffen mit der Industrie dazu in Brüssel vor. Er betonte die Notwendigkeit einer Zwischen-Evaluierung im Dezember 2022 und forderte zusätzlich eine weitere Evaluierung im Juni 2023.

Enttäuscht von den Ergebnissen der EPSCO-Sitzung zeigte sich der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). „Wir brauchen jetzt keine Ankündigungen, sondern europaweit harmonisierte und pragmatische Lösungen unter Einbindung der Medizinprodukte-Industrie, wie von Österreich angeregt“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc Pierre Möll. „Hier steht die Kommission in der Verantwortung – und zwar jetzt, nicht erst im Dezember 2022.“

Baden-Württemberg und Bayern zeigen Flagge

Am gleichen Tag nahm die Cluster-Initiative MedicalMountains/Tuttlingen auf Einladung der Bayerischen Vertretung bei der Europäischen Union an einem Treffen mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission in Brüssel teil. Im Zentrum des Gedankenaustausches standen – natürlich – die Umsetzungsprobleme bei der Europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR).

Gemeinsam mit Vertretern von Verbänden, Unternehmen, Kliniken, Benannten Stellen sowie der Landes- und Bundespolitik legte MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler dar, welche Schwierigkeiten sich bei der MDR-Umsetzung auftun, welche Folgen sich daraus ergeben – vor allem aber, mit welchen Lösungsansätzen die Lage verbessert werden kann.

Sie fasste dabei die zentralen Schwierigkeiten noch einmal zusammen: zu hoher Aufwand bei der Re-Zertifizierung, Kapazitätsengpässe bei den Benannten Stellen, auf Eis gelegte oder ganz gestrichene Innovationsvorhaben. Steckelers positive Zwischenbilanz nach dem Treffen: „Die Dringlichkeit des Problems ist angekommen.“ Entsprechend werde man weiterhin alle Hebel in Bewegung setzen, um jetzt vorwärts zu kommen – und nicht erst in zwei Jahren.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek setzte sich im Anschluss ebenfalls für ein zügiges Vorgehen ein. Als wesentliche notwendige Schritte nannte er die Ernennung weiterer Benannter Stellen, eine Ausnahmeregelung für Nischenprodukte sowie eine Lösung für Bestandsprod

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