Beatmung bei Covid-19

(06/2020) von Rüdiger Kramme

Eine unbekannte Herausforderung brei­tet sich seit Ende 2019 pandemisch aus: eine neue Variante des Coronavirus (2019-nCoV, SARS-CoV-2), die nicht nur Atemwegserkrankungen – von einer Erkältung über Lungenentzündung bis hin zu schwereren Krankheiten wie SARS – auslöst, sondern auch das Herz-Kreislauf- und Nerven-System sowie Nieren in Mitleidenschaft zieht.

Bei knapp 5 Prozent der erkrankten Pati­enten führt die Atemnot zu einem lebens­bedrohlichen Zustand, der eine apparative, intensivmedizinische Therapie unumgänglich macht. Laut WHO versterben weltweit 6,1 Prozent der Covid-19-Patienten. Notwendige Beatmungsgeräte für Covid-19-Patienten haben des­halb eine sprunghaft gestiegene Nach­frage, sodass selbst Automobilhersteller oder Heizungsbauer vereinfachte Beatmungsgeräte oder Teile in 3-D-Druck produzieren, da die Kapazitäten der origi­nären Hersteller von Beatmungsgeräten der derzeitigen Nachfrage nicht nachkommen. Allein in den USA fehlen nach Expertenmeinung 300.000 bis 700.000 Beatmungsgeräte.

Pandemievirus
Die durch das neue Coronavirus (lat. corona: kranzförmiges Gebilde, Scheitel, Wirbel), kurz 2019-CoV bzw. SARS-CoV-2, erzeugte neue und komplexe Erkrankung wird als Covid-19 (Coronarvirus-Krankheit-2019) bezeichnet. Die Infek­tion wird überwiegend aero­gen über Tröpfchen und weniger über eine Schmierinfektion übertragen. Das oder der Virus (lat. virus: Schleim, Gift, Saft) ist ein RNA-Virus mit Hülle und eingelagerten Membranproteinen (Ribonukleinsäure: Makromolekül, das eine zentrale Rolle bei der Eiweißsynthese einnimmt) in definierter Partikelform (Virion) mit einem variablen Durch­messer zwischen 60 nm und 140 nm (nm = 10–9, ein Milliardstel Meter). Die Intensität der Ausbrüche, die Virulenz (lat. virulentia: Gestank, Gift) des Virus, die die Infektionskraft und die stammspezifischen Eigenschaften beschreibt, sowie die weltweite Ausbreitung lassen darauf schließen, dass die neue Variante von SARS (severe acute respiratory syndrome, schweres akutes respiratorisches Syndrom: Infektionskrank­heit der oberen Atemwege mit hoher Ausbreitungs- und Todesrate) kein Auslöser von sog. trivialen Erkältungskrankheiten ist. Während ca. 80 Prozent der an nCoV-19 Infizierten keine oder milde Sympto-me aufweisen, leiden etwa 14 Prozent an Atemnot unterschiedlicher Ausprägung mit lungenentzündlichen Symptomen. Es wurde beobachtet, dass bei bis zu 50 Prozent der an Covid-19 Erkrankten, die stationär versorgt werden mussten und bestehende Grunderkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck, Arterio­sklerose, Herzerkrankungen u. a. aufwiesen, die Erkrankung einen schweren Verlauf nahm.

Respiratorisches System
Die Hauptaufgabe der Lungenfunktion ist die Sicherstellung eines effizienten und effektiven Gasaustauschs über die Atmung, wobei Sauerstoff aufgenommen und Kohlendioxid abgegeben wird. Das respiratorische System setzt sich aus dem oberen Luftweg (Nase, Rachen), dem unteren Luftweg (Kehlkopf, Luft­röh­re, Bronchialraum und Lungen), dem mechanischen System (Zwerchfell, Brust­muskel, Atemhilfsmuskulatur) und dem Atemzentrum in der Medulla oblongata zusammen. Eine weitere Unterteilung erfolgt in ein atemgasleitendes (obere Luftwege, Rachen) und ein atemgasaustauschendes System (Alveolen). Die Anzahl der Alveolen liegt bei etwa 300 Mio. bei einer Gesamtoberfläche von 50–100 qm. Im unteren oder tiefen Luftweg befindet sich das mukoziliäre Transportsystem (Schleim­haut mit Flimmerhärchen, die den Atemtrakt auch von gröberen Partikeln reinigen) als Selbstreinigungsapparat. Bei vielen Atemwegserkrankungen ist dieser biologische Mechanismus gestört oder gar funktionsuntüchtig. Es kommt zu einer vermehrten Produktion und Retention von Bronchialsekret (Schleim) mit Eindickung (Borkenbildung).

Hypoxämie, ARDS, ARI
Der Begriff Hypoxämie bezeichnet den verminderten Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes. Nach einer chinesischen Studie (Januar 2020), die in der medizi-nischen Fachzeitschrift „Lancet“ publiziert wurde, wiesen ca. 5 bis 6 Prozent aller Covid-19-Patienten eine schwere Hypoxie auf, die einer invasiven oder nichtinvasiven Beatmung bedurfte. Pri­märes Ziel bei der Akutbehandlung ist die Beseitigung der Hypoxämie, indem Sauerstoff über eine Nasensonde, Sauerstoffbrille oder eine Venturi-Gesichtsmaske zugeführt wird (s. u.). Unter dem Akronym ARDS (acute respiratory distress syndrome) wird eine akute, schwere pulmonale Beeinträch­tigung als typische Lungenreaktion auf unterschiedliche krank machende Ursachen verstanden. Das ARDS wird charakterisiert durch schwere Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose trotz O2-Zufuhr, verminderte Lungencompliance und beidseitige diffuse Infiltrationen in allen Lungenbereichen. Die Therapie besteht meistens aus einer maschinellen Beatmung. Typische Komplikationen im Verlauf einer Covid-19-ass

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