MDR-Fristverlängerung ist endgültig durch

Am 16. Dezember 2019 legte der EU-Rat dem EU-Parlament ein Corrigendum zur EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) vor. Am 17. Dezember gab es automatisiert grünes Licht vom EU-Parlament, da es innerhalb einer Frist von 24 Stunden keine weitere Abstimmung über das Corrigendum forderte.

Eine Abstim­mung hätte stattfinden müssen, wenn eine Parlamentsfraktion oder 38 Abgeordnete dies gefordert hätten. Wesentlicher Inhalt der MDR-Änderung: Klasse-I-Produkte, die in die Klassen Ir (wiederverwendbare chirurgische Instrumente), Is (Sterilprodukte), Im (messtechnische Produkte) und medizinische Software höher gestuft worden sind, hätten ursprünglich bis zum endgültigen Start der MDR am 26. Mai 2020 einer neuen Zulassung/Zertifizierung unter Einschaltung einer Benannten Stelle bedurft. Diese Produkte erhielten nun eine Fristverlängerung von vier Jahren bis 26. Mai 2024. In der Sache richtig, in der Umsetzung aber falsch, hielt das Centrum für Euro­päische Politik der Stiftung Ordnungspolitik (Cep) den eingeschlagenen Weg. Die „Berichtigung“ der Medizinprodukte-Verordnung durch den EU-Rat sei verfahrensrechtlich fragwürdig, da die Verordnung inhaltlich geändert wurde. Eine Aufhebung durch den Europäischen Gerichtshof hätte noch negativere Folgen. Geboten sei vielmehr eine Änderungsverordnung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gewesen.

Stimmen zum Corrigendum
Zur Fristverlängerung gab es Stellung­nahmen von Verbänden und aus der Poli­tik. MTDialog bringt die wichtigsten Aussagen der Verbände Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Spectaris, BVMed, ZVEI, MedicalMountains so­wie der EU-Abgeordneten Dr. Peter Liese und Dr. Andreas Schwab (beide EVP) und von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut. Wegen der geringen Anzahl von Benannten Stellen wurde die Fristverlängerung von allen begrüßt. Immerhin gab es zum Jahresende europaweit erst acht akkreditierte Benannte Stellen. Der DIHK meinte, dass sich die Politik um den Erhalt der Wettbewerbs- und Innovationskraft der Branche kümmern müsse. Auf nationaler Ebene forderte der Verband eine mittelstandsfreundliche Umsetzung des nationalen Medizinprodukteanpassungsgesetzes-EU. Notwendig sei jetzt auch, dass es Fristen gebe, inner­halb derer ein Zertifizierungsverfahren abgeschlossen werden müsste. Weiter fordert der DIHK Sonderregelungen für lebensnotwendige Nischenprodukte, etwa für Kinder. Verwiesen wurde auch auf die gemeinsame Umfrage mit Spectaris unter 300 Unternehmen mit dem Ergebnis, dass 80 Prozent wegen der MDR mit Schwierigkeiten rechnen, noch innovative Produkte auf den Markt bringen zu können. Der BVMed wies neben dem Defizit an Benannten Stellen auch auf fehlendes qualifiziertes Personal und auf fehlende Rechtsakte hin. Weiter befürchtet der Verband eine wachsende Zahl von An­trägen auf nationale Sonderzulassung, z. B. für Medizinprodukte für seltene Erkrankungen. Nötig sei deshalb eine Neustrukturierung des bestehenden Verfahrens für Sonderzulassungen. Grundsätzlich sei es auch schwierig, für die Zertifizierung von Bestandsprodukten klinische Daten zu erhalten, weil die Bereitschaft der Kliniken zur Durchführung klinischer Studien für solche Produkte gering sei. Wie der DIHK verwies auch der BVMed auf die grundsätzlichen Probleme der Unternehmen mit der MDR. Experten würden da­von ausgehen, dass 10 Prozent der euro­päischen Branchen-Betriebe in ihrer Exis­tenz bedroht seien und rund 30 Prozent der Produkte vom Markt genommen werden müssten bzw. nicht rechtzeitig zertifiziert seien. Spectaris erinnerte daran, dass mit der Fristverlängerung andere Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht entfallen. Der Verband geht von einer weiteren Zuspitzung hinsichtlich des Engpasses an Benannten Stellen aus und bezweifelt, dass das Gesamtsystem mit Geltungsbeginn (26.5.20) tragfähig sein wird. Als Grund wird u. a. auch eine fehlende euro­päische Lösung bezüglich der Auswirkungen der Verschiebung der Datenbank Eudamed ins Jahr 2022 und das Fehlen diverser Leitlinien genannt. Für die Medizintechnik-Unternehmen im Elektro-Verband ZVEI sind die Regelungen zu Klasse-I-Produkten nicht relevant. Dennoch begrüßte der ZVEI das Corrigendum, da damit auch klargestellt sei, dass alle heute im Markt befindlichen Medizinprodukte auch nach dem 26. Mai 2020 weiter in Verkehr gebracht werden können. Endgültige Planungssicherheit gebe es deshalb auch für Produkte der Klassen IIa, IIb und III, sofern sie bereits nach der EU-Richtlinie über Medizinprodukte (MDD) auf dem Markt sind und ohne wesentliche Veränderungen bleiben. Diese Regelung sei schon Bestandteil der MDR gewesen. Engpässe mit Medizinprodukten sind nach ZVEI-Einschätzungen nun nicht mehr zu befürchten. Der ZVEI weist aber darauf hin, dass es jedoch schwer ist, neue Produkte auf den Markt zu bringen, da die Benannten Stellen wegen der Umstellung auf die MDR seit Monaten keine Unterlagen mehr für die Bewertung neuer Produkte der Klassen IIa

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