Tuttlingen – Zwischen Minimalismus und Vollständigkeit bewegt sich eine Gebrauchsanweisung für Medizinprodukte: Das Thema wurde vergangene Woche bei dem von der MedicalMountains GmbH im Rahmen des Projekts Med Alliance BW veranstalteten Symposium in allen Facetten durchleuchtet. Die rund 80 Teilnehmenden nahmen zahlreiche Informationen mit – aktuell wie perspektivisch.
Welche Rolle die Gebrauchsanweisung spielt, machte zu Beginn Christoph Kiesselbach (Schrack & Parnter, Reutlingen) deutlich: „Ohne sie ist ein Produkt nicht vollständig.“ Angesichts der großen Bandbreite einfacher bis hochkomplexer Erzeugnisse falle es jedoch schwer, allgemeingültige Rahmenbedingungen und Regeln aufzuzeigen. Die Frage sei, „was zu dem Produkt und zu der Anwendergruppe passt“. Die Antwort darauf könne den Herstellern nicht abgenommen werden. Als eine Hilfe zur Auslegung wurde die ISO 20417:2021 benannt. Auch wenn nicht explizit für Medizinprodukte verfasst, kann die IEC/IEEE 82079-1 ebenfalls herangezogen werden.
Gleichwohl wurde deutlich: Regulatorische Vorgaben, allen voran die EU-MDR, zu erfüllen, bedeutet noch lange nicht, eine gute Gebrauchsanweisung zu haben. Sie sollte vollständig sein, aber nicht überfrachtet, strukturiert, aber verständlich, Warnhinweise beinhalten, aber nicht ausschließlich aus diesen bestehen. Und: Sie muss über den gesamten Lebenszyklus gepflegt werden. Jörg Stockhardt (Consulting & more, Berlin) machte dies an einem Beispiel fest: Bringe ein Mitbewerber ein besseres Produkt mit geringerem Risikopotenzial auf den Markt, gelte es, das eigene Nutzen-Risiko-Verhältnis neu zu bewerten – was sich wiederum in der Gebrauchsanweisung niederschlagen könne. Um den umfangreichen Prozess zu beherrschen, stellte Michael Kania (meddevo, Bad Herstfeld) passende Software-Lösungen vor: vom klassischen Textverarbeitungsprogramm bis hin zu speziellen Layout- und Datenbank-Anwendungen. Unabhängig davon gab er den Rat mit, eine „Standard Operating Procedure“ für Labeling und Gebrauchsanweisungen zu verfassen. Sei es, um für einen etwaigen Personalwechsel gewappnet zu sein, oder gegenüber Prüfbehörden Entscheidungen schriftlich belegen zu können – frei nach der alten Audit-Weisheit: Was nicht dokumentiert ist, gibt’s nicht.
Die zweite Hälfte des Symposiums war eher perspektivisch ausgelegt – es ging um die elektronische Gebrauchsanweisung, die eIFU. MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler stellte die gemeinsam mit SPECTARIS erhobenen Umfrageergebnisse vor. Demnach sprechen sich sowohl Anwender als auch Hersteller mit jeweils über 80 Prozent für eine Erweiterung des bestehenden Rechtsrahmens aus, mit dem die Nutzung von eIFUs auf wenige Produktgruppen beschränkt wird. Franz Menean (Medagent GmbH, Mühlheim) ging auf die derzeit vorhandenen Regelwerke und mögliche Anwendungsszenarien von eIFUs ein. So gehören Videos zu den Elementen, die gerne integriert werden. Aber auch hier gibt es Licht und Schatten: Ohne Beschreibung bringen auch Bewegtbilder keinen echten Mehrwert. In Bezug auf wichtige Anforderungen der Benutzerfreundlichkeit gelte das Prinzip der Gleichwertigkeit zwischen elektronischer und gedruckt zur Verfügung gestellter Gebrauchsweisung, erinnerte Franz Menean.